Gelesen – 04/2017

Drei Bücher. Der April war ein guter Lesemonat. Wobei das jetzt vor allem daran liegt, dass ich im März kein Buch beendet und so eines quasi in den April „hinübergerettet“ habe, ein Buch besonders dünn und eins in Deutsch war. Wie dem auch sei, hier meine April-Lektüre.


Alison Weir: Katherine Swynford
Vintage Books

An diesem Buch habe ich tatsächlich sehr lange gelesen – und noch viel länger stand es vorher schon in meinem Regal. Vor einigen Jahren habe ich es mal geschenkt bekommen, mich aber nie so richtig „rangetraut“. Von Alison Weir habe ich vorher bereits ein anderes Buch gelesen, „Innocent Traitor“, was tatsächlich ein Roman ist. Diese Erwartung hatte ich dann auch an „Katherine Swynford“ gehabt. Ein erster Blick hat mich dann damals aber doch erst einmal abgeschreckt, denn dieses Buch ist eher eine Biografie und aufgrund der Tatsache, dass es sich um eine Person handelt, die im 14. Jahrhundert gelebt hat, sogar eher eine wissenschaftliche Abhandlung.

Nun war es aber endlich an der Reihe, denn Katherine Swynford ist – nicht zuletzt dank Rebecca Gablé – eine historische Person, die mir sehr „sympathisch“ ist. Der Untertitel „The Story of John of Gaunt and his Scandalous Duchess“ war noch vielversprechender, denn John of Gaunt, Duke of Lancaster, ist – wieder ein Verweis auf Rebecca Gablé und ihren ersten Roman der Waringham-Saga, Das Lächeln der Fortuna – einer meiner all-time Lieblings-Roman-Figuren.

Das Buch von Alison Weir ist nun tatsächlich eher eine Biografie von John und Katherine, denn vieles über das Leben von Katherine Swynford lässt sich nur aus Aufzeichnungen aus dem Haushalt von John of Gaunt ableiten. Zur Einordnung: Katherine Swynford, ursprünglich aus Hainault/Hennegau (Belgien), war zunächst die Geliebte, später die dritte Ehefrau von John of Gaunt, dem dritten Sohn Edwards III und nach dem Tod seines Vaters und seines älteren Bruders, dem Schwarzen Prinzen, der wohl mächtigste, auf jeden Fall der reichste Mann in England im 14. Jahrhundert. Ihre und Johns zunächst unehelich geborenen Kinder, die Beauforts, wurden später durch König Richard II legitimisiert und begründeten auf Umwegen die Tudor-Dynastie (aus der König Henry VIII, der mit den sechs Frauen, stammte). Das englische Königshaus geht noch heute in direkter Linie auf John of Gaunt und eben Katherine Swynford zurück.

Weir zeichnet das gesamte Leben Katherines nach, ihre Kindheit am Hof von Philippa von Hainault, Königin von Edward III, ihre beiden Ehen und die Leben ihrer Kinder, ihre Verbindungen zu Geoffrey Chaucer und zum Königshof. Im Fokus steht natürlich ihre Beziehung zu John of Gaunt und auch er wird sehr ausführlich porträtiert. Das Buch ist unglaublich detailliert: Weir verfolgt z.B. .anhand von Geschenken und Gaben zurück, wer wann mit wem wie in Kontakt stand, diskutiert Gemälde, die Aufschluss über das Aussehen der Figuren geben könnten, beschreibt die Häuser und Burgen, in denen Katherine (und John) gelebt hat, usw.

Ein an sich gut zu lesendes „Rundum-Porträt“ von Katherine und John, das ein im Grunde sehr positives Bild der Beiden zeichnet und sich an vielen Stellen mit dem Bild deckt, das ich auch im „Lächeln der Fortuna“ von ihnen gewonnen habe. Es ist aber eben auch sehr wissenschaftlich geschrieben, mit Stammbäumen, Bibliografie und über 40 Seiten Anmerkungen im Anhang, außerdem eng und klein bedruckt und so hat es eben seine Zeit gedauert, bis ich mich dadurch „gearbeitet“ hatte. Sicherlich keine Lektüre für jedermann, aber ich fand es höchst interessant.


Ben Crystal: Shakespeare On Toast
Icon Books

Was schnelles für Zwischendurch – ganz im Gegensatz zu Alison Weir – und außerdem hatte ich gerade nix anderes zur Hand. Dieses Buch ist mir beim Aufräumen und Sortieren von zuhause geparkten Umzugskisten in die Hände gefallen und ich konnte nicht einmal mehr sagen, ob ich es schon gelesen hatte oder nicht.

Ben Crystal (Sohn von David Crystal, der Anglisten vermutlich etwas sagen wird) versucht mit „Shakespeare On Toast“, Shakespeare für jeden verständlich zu machen. In kurzen Kapiteln widmet er sich verschiedenen Aspekten, lässt dabei die Person William Shakespeares aber fast vollständig aus. Stattdessen behandelt er ausführlich den Kontext, in dem Shakespeare gelebt und geschrieben hat, das elisabethanische Zeitalter, die Praxis von Theateraufführungen, Shakespeares Sprache und schließlich (in epischer Länge und Breite) das Metrum.

Ich habe noch nie eine grundsätzliche Aversion gegen Shakespeare gehabt, von daher bin ich vielleicht nicht unbedingt die Zielgruppe, an die sich dieses Buch richtet. In der Schule habe ich im Englisch-LK „Much Ado About Nothing“ gelesen (und den Film von Kenneth Branagh gesehen) und würde grundsätzlich gerne mal wieder Shakespeare lesen. Dieses Buch hielt durchaus einige interessante Aspekte und das ein oder andere Neue bereit. Nach einer Weile, muss ich allerdings gestehen, ist mir Crystal dann allerdings doch ein wenig auf die Nerven gegangen.

„Think like an Elizabethan“ – natürlich hat Shakespeare für sein damaliges Publikum geschrieben und nicht für uns 400 Jahre später, aber ich meine, man kann Shakespeare auch durchaus genießen, wenn man es aus der heutigen Perspektive liest und muss sich nicht zwingend die Angst der damaligen Zuschauer vor Hexen vor Augen führen, um Macbeth zu verstehen und zu mögen. Zu wissen, was Pausen im Metrum bedeuten und wie sie auf der Bühne zu füllen und interpretieren sind, ist sicherlich für einen Schauspieler enorm wichtig; als Leser kann ich aber darüber vielleicht eher hinweggehen. Unterschwellig klingt, so jedenfalls mein Empfinden, in Crystals Buch oft mit, dass die gängigen Unterrichts- und Aufführ-Praktiken eigentlich alle falsch und schlecht sind und er der einzige wahre Shakespeare-Experte sei. Mag sein, dass ich ihm damit Unrecht tue, aber je weiter ich las, umso mehr wirkte es auf mich genau so. Dennoch ist „Shakespeare On Toast“ kurzweilig, wenn vielleicht vor allem gegen Ende zu repetitiv.


Jean-Luc Bannalec: Bretonische Flut
Kiepenheuer & Witsch

Was für’s Herz. Dass ich die Kommissar Dupin-Romane von Jean-Luc Bannalec sehr mag, habe ich ja bereits an anderer Stelle geschrieben. Den aktuellen fünften Fall habe ich meinen Eltern zu Weihnachten geschenkt und jetzt selbst davon profitiert, weil ich mir das Buch, nachdem sie beide es gelesen hatten, ausleihen durfte.

Dieser Fall hat mich, anders als der vorherige, wieder von der ersten Seite an sofort in seinen Bann gezogen. Hier zieht sich nichts, sondern es geht Schlag auf Schlag. Drei Tote innerhalb weniger Stunden, alle auf dieselbe Weise umgebracht, eine Fischerin, eine Delfinforscherin und ein emeritierter Virologie-Professor. Dupin hat seine liebe Mühe, mit diesem Fall Schritt zu halten.

Noch dazu muss er wieder einmal auf’s Meer. Schifffahren hasst er nicht nur wie die Pest, ist das Meer nicht gerade spiegelglatt, wird er auch seekrank. Das ist in der Bretagne prinzipiell natürlich eher ungünstig, aber so schlimm wie in diesem Band war es noch nie. Geografisch befinden wir uns etwas nördlich von Quimper, rund um Douarnenez, Crozon und die vielen kleinen Inseln im Parc d’Iroise. Die Karte in der vorderen Umschlagklappe des Buches hilft bei der Orientierung.

Die „Bretonische Flut“ ist spannend, schnell und vor allem wieder einmal: wunderschön. Und zwar in einem ganz wörtlichen Sinne. In einem WDR 2-Zitat in der Buchklappe heißt es, die größte Herausforderung sei es, „nicht schon während des Lesens einen Urlaub in der Bretagne zu buchen, weil Bannalec die Region so leidenschaftlich in Szene setzt“ und das trifft es tatsächlic genau. Kein anderes Buch, kein anderer Autor, schafft es, meine Vorstellungskraft so sehr anzuregen, dass ich fast das Gefühl bekomme, neben Dupin am Rande eines Hafens oder am Strand der Ile de Sein zu stehen. Allein schon für die Beschreibung von Sonnenauf- und -untergängen oder der verschiedenen Blautöne im bretonischen Sommer lohnt es sich, diesen Roman zu lesen. Obendrein ist es ein Krimi, wie er spannender kaum sein könnte und es passiert so viel innerhalb kürzester Zeit, dass man denken könnte, Dupin ermittelt schon seit Wochen. Und dann blättert man um und liest „Zweiter Tag“ als Überschrift des nächsten Kapitels und stutzt einen Augenblick.

Irgendwann mache ich Urlaub in der Bretagne und fahre die ganzen Handlungsorte der Dupin-Krimis ab. Wer kommt mit? (Eigentlich wäre das doch auch ein super Geschäftsmodell. Ein bretonisches Dupin-Kochbuch gibt es schließlich auch schon.)