Gelesen – 05/2017

Zwei Bücher, die unterschiedlicher nicht sein könnten, habe ich heute aus dem Mai dabei. Das ist wohl die wildeste Kombi, die ich nacheinander gelesen habe – mindestens, seit ich Gelesen hier auf dem Blog präsentiere, und wahrscheinlich in einer langen Zeit.


Joachim Meyerhoff: Alle Toten fliegen hoch
Kiepenheuer & Witsch

Das Buch habe ich aus dem Bücherregal meiner Eltern entführt ausgeliehen. Meine Mutter kam vor kurzem mit einem der Nachfolge-Romane, „Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke“ nach Hause (gekauft vor allem deswegen, weil die Protagonisten darin so heißen wie ihre Eltern) und wir kamen in’s Gespräch über dieses Buch. Der Titel hatte mich sowieso schon neugierig gemacht, auch wenn ich mir nichts wirklich darunter vorstellen konnte oder vielleicht auch gerade deswegen.

Das war mein erster „echter“ Roman seit langem. Kein Krimi, nix historisches, einfach eine (einigermaßen zeitgenössische) Geschichte. Allein das war schon schön – so gerne ich meine Krimis und historischen Romane, Biographien usw. mag, sowas sollte ich öfter lesen. Meine Mutter hatte mich gewarnt, sie habe etwas gebraucht, um wirklich in die Geschichte reinzukommen, und mit dieser Erwartung habe dann auch ich das Buch aufgeschlagen, aber mir ging es überhaupt nicht so. Von der ersten Seite an war ich „drin“ und habe das Lesen sehr genossen.

„Alle Toten fliegen hoch. Amerika“ handelt von einem achtzehnjährigen Jungen, der ein Austauschjahr in Amerika als den einzigen Weg sieht, seiner Familie und seinem Kleinstadtleben zu entkommen. Nicht, dass er seine Familie nicht mögen und sich in seiner Heimat nicht wohlfühlen würde – aber er will weg, will raus, will was erleben. Bereits beim Auswahlgespräch stellt er fest, wie anders er ist als die anderen Jugendlichen: Die kommen aus einer Großstadt und wollen natürlich auch in Amerika in einer solchen unterkommen, sie glauben die Welt und ihren Platz darin zu kennen, während er noch auf der Suche ist. Um überhaupt eine Chance auf einen Platz zu haben, gibt er an, genügsam und naturbegeistert und auch in einer Kleinstadt zufrieden zu sein – und landet im amerikanischen Nirgendwo, in der Prärie in Wyoming.

Als er in Amerika ankommt, habe ich irgendwie erwartet, dass nun der Kulturschock kommt, dass er feststellt, wie gut es ihm zuhause eigentlich gefiel, dass er mit Amerika, seiner Gastfamilie und vor allem seinen eher spärlichen Englisch-Kenntnissen nicht zurechtkommt. Aber so kommt es nicht. Seine Gasteltern nehmen ihn sehr herzlich auf und er versteht sich gut mit ihnen und zwei seiner drei Gastbrüder. Auch in der Schule integriert er sich schnell und leicht, wenn ihn auch überrascht, dass er sich einen Stundenplan mit den Fächern Bergsteigen, Deutsch, „Woodworking“, Theater, Englisch, und „Searching for Identity“ zusammenstellen kann/darf, und einige der Lehrer, vorsichtig ausgedrückt, etwas schräg drauf sind. Er lebt sich schnell ein, doch dann holt ihn eine Todesnachricht zurück nach Deutschland. Dort, im Kreise seiner Familie, stellt er fest, wie sehr ihn die wenigen Monate in Amerika bereits verändert haben und nach einigen Wochen beschließt er, zurückzufliegen und sein Auslandsjahr fortzusetzen.

Er, der in Deutschland jahrelang geschwommen ist, Wettkämpfe bestritten und Schwimmunterricht gegeben hat, will unbedingt in die Basketballmannschaft seiner High School und schafft das auch. Obwohl er in Deutschland eine Freundin zurückgelassen hat, beginnt er auch in Amerika eine Beziehung. Und als er schließlich nach dem vollendeten Jahr erneut nach Hause zurückkehrt, träumt er nicht nur zunächst in Englisch und ist sportlicher und muskulöser als bei seiner Abfahrt, sondern er hat auch ein wenig Mühe, sich in der norddeutschen Kleinstadt und im Familiengefüge wieder einzufinden.

Wenn ich ein Wort finden müsste, um dieses Buch zu beschreiben, wäre es vielleicht „leise“. Es ist in keinem Fall langweilig, es lässt sich trotz manchem langen Satz gut lesen, es passiert eine Menge auf den 320 Seiten, es ist witzig und ironisch und trotzdem (für mich) irgendwie leise. Auf eine gute Art.

Und ja, es ist die Geschichte von Meyerhoff selbst, die er da erzählt. „Amerika“ ist der erste Teil seines Programms „Alle Toten fliegen hoch“, das er ursprünglich für das Theater konzipiert hat. Mittlerweile gibt es zwei weitere Romane, „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“ und eben „Ach diese Lücke, diese entsetzliche Lücke“ – und die kommen sowas von sicher auf die „to read“-Liste.


Suzanne Collins: The Hunger Games
Scholastic

Ja, ich bin etwas „late to the party“. Die „Hunger Games“ oder Tribute von Panem sind bislang eher an mir vorbeigegangen und ich hätte das Buch in einem Buchladen oder einer Bücherei sicherlich auch nicht in die Hand genommen. Ich stehe nicht unbedingt auf Science Fiction, Thriller oder wie auch immer man dieses Genre jetzt genau betiteln mag. Aber das Buch stand in meinem Regal, weil mein Vater es gekauft, gelesen und dann dort deponiert hatte und naja, man kann ja mal schauen, was an dem ganzen Hype so dran ist. (Ob der Hype jetzt um die Bücher oder doch, um genauer zu sein, um die Filme entstand, ist eine andere Frage.) Immerhin war es im Original, also auf Englisch.

Muss ich erklären, worum es in den „Hunger Games“ geht? Wir befinden uns in einer Zeit, irgendwann nach der Apokalypse, aber die Welt gibt es noch, sie ist nur ein wenig anders. In Panem werden jedes Jahr die Hungerspiele abgehalten: Jeder Distrikt schickt zwei Tribute in’s Rennen, das Capitol bestimmt die Spielregeln. Die sind im Grunde genommen recht simpel: Die 24 Tribute (12 Jungen, 12 Mädchen) werden in eine „Arena“ geschickt und wer als letzter noch lebt, hat gewonnen. Das ganze wird rund um die Uhr live im Fernsehen übertragen, es werden Wetten und Sponsorings abgeschlossen und wenn zu wenig passiert (sprich, zu lange niemand mehr gestorben ist), schickt das Capitol ein Buschfeuer, Sintflut, Sturm, Trockenheit oder wilde Tiere und zwingt die Tribute so, näher zusammenzukommen und sich doch bitte gegenseitig umzubringen.

Es ist auf eine Weise spannend, aber auf eine sehr simple Art und Weise. Jedes Kapitel endet mit einem Cliffhanger, das sorgt natürlich dafür, dass man weiterliest. Aber insgesamt – vielleicht bin ich auch nur zu anspruchsvoll – ist mir das alles zu flach. Die Beschreibung der Umgebung, die Charakterisierung der Protagonisten. Ich-Erzähler mag ich sowieso nicht besonders (Meyerhoffs Erzähler ist ebenfalls ein Ich-Erzähler, aber da ist es gut gemacht) und nicht zuletzt, weil es noch zwei Nachfolge-Bände gibt, ist eigentlich von Anfang an klar, dass Katniss, die Erzählerin, die den Platz ihrer jüngeren Schwester in den Spielen eingenommen hat, am Ende siegen wird.

„Winning will make you famous“ heißt es auf der Rückseite des Buches. Den Siegern fällt die Aufgabe zu, die nächsten Tribute ihres Distrikts auf die Spiele vorzubereiten, sie zu betreuen und zu begleiten. Sie bekommen ein schönes, schickes Haus und Ruhm, aber Katniss und ihr Gefährte aus Distrikt 12 (dank Regeländerung und einer schlauen Idee von Katniss, als diese wieder zurückgenommen werden sollte, die ihr allerdings nicht nur den gemeinsamen Sieg, sondern auch den Zorn des Capitols einbringt, gibt es in diesem Jahr zwei Sieger) stellen erst nach dem Ende der Spiele fest, was ihr Sieg für ihre Zukunft bedeutet. Und das ist eben nicht nur Gutes.

Leicht zu lesen für zwischendurch – aber nicht mein Genre und zu flach (und eine lächerlich große Schrift): Hier habe ich weniger das Bedürfnis, die weiteren Bände auch zu lesen. Eventuell werde ich aber neugierdehalber mal in den Film reinsehen. Wie das ganze darin dargestellt wird, würde mich ja schon ma interessieren.