Gelesen – 01/2019

Auch in diesem Jahr möchte ich hier wieder monatlich die Bücher präsentieren, die ich in den vorausgegangenen vier Monaten gelesen habe. Und für den Moment zumindest setzt sich die 1 Buch pro Monat-Serie fort – im Winter lese ich tatsächlich meistens weniger als im Sommer, da ich meine Abende da meistens mit dem Strickzeug in der Hand verbringe, wogegen an warmen Sommerabenden auf der Terrasse das Buch mein liebstes Zeitverbring-Ding ist.


Louise Penny: Still Life

St. Martin’s Paperbacks

Von Louise Penny habe ich vor zwei Jahren bereits ein Buch vorgestellt, Bury Your Dead, dessen Vorgänger der Roman ist, den ich nun gelesen habe. „Still Life“ ist der erste Roman der Chief Inspector Gamache Novels der kanadischen Autorin Louise Penny und nachdem ich „Bury Your Dead“ sehr gerne gelesen habe, wollte ich diese Reihe nun auch endlich mal von vorne aufrollen.

In „Still Life“ lernen wir zum ersten Mal das beschauliche Dorf Three Pines kennen, das plötzlich gar nicht mehr so beschaulich ist, als nämlich eine tote Frau im Wald gefunden wird. Chief Inspector Armand Gamache und sein Team rücken aus Québec an, mieten sich im örtlichen B&B ein und, nunja, lösen den Fall. Den Fall, auf den sich keiner so wirklich einen Reim machen kann. Die Tote ist Jane Neal, eine ältere Dame, die seit vielen Jahren in Three Pines wohnte, eine ehemalige Lehrerin, die von allen gemocht und geschätzt wurde. Warum liegt sie mit einer Pfeilwunde in der Brust tot im Wald? Es ist Jagdsaison – war es ein Unfall? Oder gab es doch irgendjemanden, dem sie ein Dorn im Auge war?

Auch die anderen Bewohner von Three Pines erscheinen in „Still Life“ naturgemäß zum ersten Mal – mir waren sie jetzt natürlich schon ein Begriff – und Louise Penny schafft es, einem dieses Dorf sofort vertraut zu machen. Trotz des Mords erscheint es als ein Ort, an dem die Welt noch in Ordnung ist. An dem sich Nachbarn gegenseitig helfen, an dem es Zusammenkünfte in der Kirche und Dorffeste gibt, an dem die halbe Dorfbevölkerung am späten Nachmittag im Bistro zusammenkommt und gemeinsam isst und trinkt – unabhängig von Herkunft, Aussehen, Vergangenheit und Sprache.

Denn ganz nebenher erfährt man in den Krimis von Louise Penny auch viel über die kanadische Kultur – so es sie gibt, denn immer wieder wird deutlich, wie sehr es ein Nebeneinander her, gelegentlich auch ein Gegeneinander und dann doch immer wieder ein Miteinander der franko- und der anglophonen Bevölkerung gibt. Penny vermittelt mit Leichtigkeit durch ihre Figuren und durch die Beobachtungsgabe und das historische Wissen von Armand Gamache die kanadische Geschichte und Gegenwart und die Herausforderungen, die das Aufeinanderprallen der englischen und der französischen Kultur mit sich bringen.

Um das zu illustrieren, ist Armand Gamache die perfekte Person. Seine Muttersprache ist französisch, doch er spricht auch fließend Englisch und sogar mit britischem Akzent, kann sich so mit allen verständigen und wird von allen akzeptiert. Er und vor allem sein Kollege Jean Guy Beauvoir wundern sich zwar gelegentlich über les anglais, wissen aber auch um deren Besonderheiten und Eigenarten und akzeptieren sie.

Nicht zuletzt ist Armand Gamache ein wunderbar menschlicher Ermittler, Kommissar, Mensch. Nur wenig bringt ihn aus der Fassung, er fährt nicht aus der Haut, er begegnet allen – Opfer, Verdächtiger, Zeuge, Täter – mit demselben Respekt. Er ist kein besonders lauter Typ, aber er hat eine natürliche Autorität, die er zwar nicht ausnutzt, aber die man als Polizist wohl einfach besitzen muss, um in seinem Job erfolgreich zu sein. Und das ist er, nicht umsonst hat er es zu einem der angesehensten Kommissare der Sûreté du Québec gebracht. Und genauso wird er auch dem Leser sofort sympathisch.

Louise Pennys Romane sind spannende Kriminalfälle, aber sie sind auch noch mehr als das. Sie zeigen kanadisches Leben, sie zeigen menschliche Abgründe, Tiefen und Höhen, sie zeichnen sich durch Figuren aus, die man versteht und mit denen man mitfühlt, und am Ende geht alles gut aus. Jedenfalls in den Krimis, die ich bisher gelesen habe, und denen sicher noch einige folgen werden.