Sieben Wochen ohne – mal anders

Eigentlich hätte ich an diesem Wochenende in dieser, unserer wunderschönen Kirche gestanden und gesungen. Für die Konfirmanden, ihre Eltern und die wenigen weiteren Gottesdienstbesucher. Stattdessen gehen wir an diesem heutigen Sonntag in die siebte Woche ohne Gottesdienste. Sieben Wochen ohne… Gottesdienste. Konzerte. Büroarbeit. Und so vieles mehr.

Tatsächlich waren die Konfirmationen – noch vor Ostern – mein erster Gedanke, als die Absage der Gottesdienste kam. Ganz eigennützig und egoistisch zunächst, weil ich mich seit Weihnachten auf das Singen an den beiden Tagen an diesem Wochenende gefreut hatte und das nun ausfallen muss. Aber natürlich ist es auch für die Konfirmandinnen und Konfirmanden traurig, dass ihr besonderer Tag auf unbestimmte Zeit verschoben werden muss.

Auch unser Chorkonzert am letzten März-Wochenende ist natürlich ausgefallen. Weitere Gottesdiensttermine im März, April und Mai, die der Chor musikalisch mitgestaltet hätte. Alle Proben. Sieben (oder wer weiß, wie viel mehr noch) Wochen ohne Singen.

Im Büro war ich seit 26 Arbeitstagen nicht mehr. Wobei ich an vier davon, in der Woche nach Ostern, sowieso Urlaub hatte. Home Office. Sieben (sechs) Wochen ohne die tägliche Radfahrt, den Plausch mit Kollegen.

Und dann war da unser Plan, das Osterwochenende in Paris zu verbringen, weil ein Familienmitglied dort ein Auslandssemester macht. Machte – denn vor Ostern und nach zwei Wochen Ausgangssperre ist er vorzeitig zurückgekommen. Kurz darauf hat der Campingplatz unseren Aufenthalt dort storniert – geschlossen wegen behördlicher Vorgaben.

Aber ich kann mich unendlich glücklich schätzen, denn das ist tatsächlich das Schlimmste, das der derzeitige Ausnahmezustand, hervorgerufen durch ein Virus, mir (bisher) beschert hat. Ich habe noch Arbeit. Ich habe eine wunderbare Wohnung, in der ich jetzt sehr viel mehr Zeit verbringen kann. Ich habe Zeit Spaziergänge zu unternehmen, meine Fitness ein bisschen aufzubessern, Klavier zu spielen, mittags statt abends zu kochen. Ich muss mich nur um mich selbst kümmern, nicht zeitgleich Kinder bespaßen/beschulen und arbeiten, und kann mittlerweile sogar mit meiner Oma videotelefonieren. Ich kann und will nicht klagen.

Und ich habe eine Familie. Zum Glück heißt es nicht sieben Wochen ohne die Familie. Denn auch wenn wir sechs mittlerweile in vier verschiedenen Haushalten leben, haben wir uns Ende März und dann über Ostern zuhause zusammengefunden. Sind dabei unter uns geblieben, so wie ich es vorher und jetzt wieder auch hier in Dortmund tue, haben Spaziergänge gemacht, zusammen gekocht und gegessen, das tolle (viel zu warme und trockene) Wetter im Garten genossen, lebhaft diskutiert und viel gelacht und diese unerwartete Zeit als Familie genossen. Selten genug kommt es vor, dass wir zu sechst zusammenkommen – dass alle von uns, aber niemand aus der erweiterten Familie zusammen sind. Zwei Studenten, zwei Arbeitnehmer und ein Schüler im Home Office, da waren alle Schreibplätze und -tische im Haus belegt.

Ich kann und will nicht klagen. Diese Zeit war fast wie ein Geschenk – das ich umso mehr wertschätze jetzt, wo ich wieder allein in meiner Wohnung bin. Was ich schwierig finde, ist die absolute Unplanbarkeit dieser Zeit. Nicht zu wissen, wann welche Maßnahmen vielleicht aufgehoben oder verlängert oder vielleicht doch sogar verschärft werden, was wann wieder möglich sein wird. Als jemand, der für alles Pläne hat und macht, ist das ungewohnt. Die Kontrolle fehlt. Und ich meine damit gar nicht einmal so Dinge wie „kann ich im Sommer in den Urlaub fahren?“, sondern mehr „wann kann ich das nächste Mal nach Hause fahren?“ Denn auf Dauer ist es doch sehr still, wenn man allein wohnt und alle üblichen Beschäftigungen, bei denen man auf andere Menschen trifft, wegfallen. Da ich aber jetzt, nachdem ich die letzten Fahrten mit einem geliehenen Auto absolviert habe, mit dem Zug gefahren bin und das dann doch nicht unbedingt öfter als nötig machen will, steht auch der nächste Familienbesuch ein wenig in den Sternen.

 

Aber ich will nicht klagen. Ich habe gar kein Recht dazu. Ich mache es mir einfach hier gemütlich, bin dankbar dafür, dass ich das kann, und zähle die nächsten Wochen ohne. Irgendwann wird die Sonne die Normalität wieder einkehren.